150 Millionen Euro für Carbon aus Lingen - Unternehmen Dralon will Geld in den nächsten vier Jahren investieren – 80 neue Arbeitsplätze

NOZ - Wirtschaft
Lingen. Die Dralon GmbH in Lingen möchte in den kommenden vier Jahren 80 neue Arbeitsplätze schaffen und rund 150 Millionen Euro im Industriepark Süd investieren. Der Grund: Das Unternehmen will die Produktion von kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, auch CFK oder „Carbon“ genannt, aufnehmen – als Erstes in Deutschland.
Das, was sich wie ein um ein paar Tage verfrühtes Weihnachtsgeschenk für den Industriestandort Lingen anhört, diskutieren die beiden Geschäftsführer Stefan Braun und Dieter Heinkes auf Nachfrage unserer Zeitung ganz nüchtern. „Wir haben den weltweiten Markt analysiert, gerechnet und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir Carbon auch in Lingen wirtschaftlich produzieren können.“ Bisher teilten sich die immer größer werdende Nachfrage nach diesem leichten Verbundwerkstoff in der Hauptsache Chinesen und Amerikaner.
Weitere Gesprächspartner in der Runde waren von der Unternehmensseite Günter Krummen, Leiter Produktion, und Jens Lübben, Verfahrenstechnik. Von städtischer Seite saßen Oberbürgermeister Dieter Krone, Erster Stadtrat Ralf Büring und Helmut Höke, Fachbereichsleiter Wirtschaftsförderung und Liegenschaften, mit am Runden Tisch.
Dort, wo heute 185 Arbeitnehmer die Acrylfaser Dralon auf sieben Produktionsstraßen herstellen, sollen zukünftig auch Carbonfasern gefertigt werden. „Wie die Acrylfaser verlangt auch die Carbonfaser enorm viel Handarbeit. Wir haben dieses Know-how, weil wir mit unserer Acrylfaser Dralon marktführend sind. Wir wollen dieses Wissen um die Herstellung von Carbon auch in Lingen belassen“, unterstrich Heinkes. Zurzeit beläuft sich weltweit die jährliche Produktion von Carbon auf etwa 40 000 Tonnen – aufgeteilt zwischen China und den USA. Dralon kann in Lingen etwa 4500 Tonnen jährlich produzieren, was etwa einem Zehntel der Weltmarktproduktion entspricht – und das bei einer immer stärkeren Nachfrage. Weiteren Informationen zufolge soll sich die Carbon-Fertigung in den kommenden zehn Jahren verdreifachen – andere sprechen davon, dass 2024 sogar 250 000 Tonnen Carbon jährlich hergestellt würden.
Auf die Frage, ob es denn auch Abnehmer für Carbon gebe, antwortete Geschäftsführer Braun: „Das Interesse unserer Kundschaft ist da.“ Etwas Wasser in den Wein goss allerdings abschließend Heinkes: „Wir benötigen für diese energetisch anspruchsvolle Produktion Strom und Gas und müssen deshalb warten, wie sich die Preise in Deutschland entwickeln. Sollten wir stärker als bis dato belastet werden, müssen wir alles noch einmal durchrechnen.“
OB Dieter Krone wertete die mögliche Herstellung von Carbon in Lingen als einen „Glücksfall“ für die zukünftige Entwicklung der Stadt.
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Kommentar der NOZ
Katalysator für neue Unternehmen
Die schon weit vorangeschrittenen Planungen von Dralon, in Lingen Carbon herstellen zu wollen, sind für die Stadt ein Glücksfall. Gerade vor dem Hintergrund, dass das RWE-Kernkraftwerk Emsland 2022 abgeschaltet werden soll und auch die RWE-Gaskraftwerke aufgrund des Vorrangs der regenerativen Energien kaum noch zum Einsatz kommen, ist die Neuansiedlung dieses Industriezweiges nur zu begrüßen.
Von Bedeutung sind nicht nur die geplanten 150 Millionen Euro, die hier investiert werden und die 80 zusätzlichen Arbeitsplätze. Die Carbonfaserproduktion könnte auch der Katalysator einer ganz neuen Wertschöpfungskette mit affinen Unternehmen sein – Platz genug für weitere Ansiedlungen ist im Industriepark Süd vorhanden.
Apropos 150 Millionen Euro: Man wird heute im Nordwesten Deutschlands lange suchen müssen, um ein Unternehmen zu finden, das an nur einem Standort bereit ist, so viel Geld in die Hand zu nehmen.
Außerdem könnte die Carbonherstellung Initiator einer weiter reichenden Zusammenarbeit mit der Hochschule auf dem Campus Lingen sein. Fachkräfte könnten in neuen Studiengängen ausgebildet und an attraktive Unternehmen in Lingen und der Region gebunden werden.
Sollte es tatsächlich zu dieser Ansiedlung kommen, würde Lingen seinem Ruf als planungssicherer und zukunftsorientierter Industriestandort in der Region weiter gerecht werden.