Es bleibt dabei: Geschäfte geschlossen Am 1. Mai - Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt Urteil - SPD: Tag gehört den Familien

Lingener Tagespost - Lokales
Von Thomas Pertz - In dem Beschluss heißt es: „Der 7. Senat des OVG Lüneburg hat die Beschwerde des LWT mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, ein Sonntag, auf den der staatlich anerkannte Feiertag „1. Mai“ (Tag der Arbeit) falle, sei ein besonderer Sonntag, nicht zu beanstanden ist. Diesem eine Ermessensausübung notwendig machenden Ausnahmefall werde der Bescheid der Stadt Lingen nicht gerecht.“
Im Hauptsacheverfahren habe das Gericht nun grundsätzlich darüber zu entscheiden, ob der 1. Mai als Feiertag besonders geschützt werden müsse und damit zukünftig die Geschäfte landes- oder gar bundesweit an diesem Tag geschlossen bleiben, sagte Lingens Erster Stadtrat Dr. Ralf Büring am Freitagnachmittag. „Das aber erst nach dem 1. Mai 2011 und mit der geforderten Ruhe und Gelassenheit.“
In anderen niedersächsischen Städten seien die Geschäfte am 1. Mai geöffnet. Für mehr Klarheit sei eine landesweit einheitliche Anwendung des niedersächsischen Gesetzes über die Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten sinnvoll, so der Erste Stadtrat.
„Wir bedauern die Entscheidung des OVGs, die sich gegen eine 50-jährige Tradition in Lingen richtet“, erklärte auf Anfrage Roman Otte, Geschäftsführer des LWT. Seitens des LWT habe man geglaubt, mit dieser Beschwerde Erfolg zu haben. „Aber nun müssen wir natürlich diese Entscheidung akzeptieren“, betonte Otte und ergänzte: „Jetzt müssen wir unseren Besuchern der Stadt klarmachen, dass wir mit einer 50-jährigen Tradition brechen mussten.“
„Wir können uns bei unseren Kunden nur entschuldigen, wenn diese am Sonntag trotz einladender Werbung vor geschlossenen Türen stehen werden“, erklärte Jürgen Stöcker, geschäftsführender Gesellschafter von Mode Löning, am Freitagmorgen sichtlich verärgert. Neun Mitarbeiterinnen seien am Sonntag für das Modehaus in der Burgstraße und 16 Mitarbeiterinnen für das Lookentor eingeplant worden. „Bis dato können weder meine Mitarbeiterinnen noch ich den kommenden Sonntag planen. Was da an Nerven auf der Strecke bleibt und an Geld durch den Schornstein raucht, ist enorm.“
LWT und Kaufmannschaft hätten sich im Wissen um diesen „wackelnden Termin“ zusammensetzen müssen, um einen „Plan B“ zu erarbeiten. „All das ist ausgeblieben. Heute kann man dem LWT nur noch ein unglückliches Agieren attestieren“, betonte der Geschäftsmann.
Neben dem Stress im eigenen Haus werde aber auch die Stadt Lingen einen gewaltigen Imageschaden davontragen, ist sich Stöcker sicher.
Die Lingener CDU begrüßte das Urteil zum 1. Mai. Dieser Tag sei sowohl der „Weiße Sonntag“ als auch Tag vieler Kommunionsfeiern und der Tag der Arbeit. Der 1. Mai sei mit gutem Recht gesetzlicher Feiertag und werde auch für viele politische Veranstaltungen genutzt.
„Wir hätten uns gewünscht, dass der LWT gemeinsam mit den Geschäftsleuten die Entscheidung im Vorfeld selbstständig noch einmal überdenkt“, erklärte die CDU-Stadtverbandsvorsitzende Irene Vehring am Freitag gegenüber unserer Zeitung. Dies wäre sicherlich besser gewesen, „denn so haben wir auf jeden Fall einen enormen Imageschaden für die Stadt, was ich sehr bedauerlich finde“, betonte die CDU-Politikerin.
Von der Arbeit am 1. Mai wären überwiegend Frauen betroffen gewesen. „Wir sehen uns hier schon auf der Seite der Gewerkschaften“, unterstrich die Christdemokratin. Der Sonntag werde in immer stärkerem Maße zum Arbeitstag, zulasten der Familien. „Manchmal muss man den Leuten die Ruhe auch einmal verordnen“, kommentierte Vehring die Gerichtsentscheidung.
Diese lässt ihren Angaben zufolge „auch Kritik an der Verwaltung zu, denn sie ist ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, ihren Ermessensspielraum zu nutzen - laut Verwaltungsgericht hat in Lingen gar kein Ermessen stattgefunden.“
Die Lingener SPD und die Jusos begrüßten in einer ersten Stellungnahme das Urteil gegen die Öffnung der Geschäfte am 1. Mai und beglückwünschen Verdi zu dem gerichtlichen Erfolg. „Damit ist klar, dass der 1. Mai nicht dem Kommerz, sondern als Tag der Arbeit den Familien gehört“, stellten Mitglieder des SPD-Vorstandes und die Jungsozialisten klar.
Über alle Parteigrenzen hinweg habe der Rat am 5. April klar zum Ausdruck gebracht, dass er mit der Entscheidung der Stadtverwaltung nicht einverstanden sei, sagte SPD-Ratsherr Dr. Bernhard Bendick. Durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts sei der Wille des Rates bestätigt worden.
Die SPD Lingen und die Jusos werfen in einer Mitteilung die Frage auf, warum in der Stadt Lingen der gesetzlich zulässige Rahmen für verkaufsoffene Sonntage stets ausgeschöpft werden muss. „Das Ladenschlussgesetz ist ein Gesetz zum Schutz der Beschäftigten, dessen Stellenwert mit jedem verkaufsoffenen Sonntag ausgehöhlt wird“, kritisieren die Sozialdemokraten. Anträge auf verkaufsoffene Sonntage sollten grundsätzlich dem Rat vorgelegt werden. „Dann kann jeder Bürger sich ein eigenes Bild davon machen, welchen Stellenwert das einzelne Ratsmitglied dem Sonntag als Ruhetag beimisst“, so SPD und Jusos.
Die Junge Union im Stadtverband Lingen zeigte sich über die Entscheidung des Osnabrücker Verwaltungsgerichtes ebenfalls erfreut. So sei mit dieser Entscheidung gezeigt worden, dass der 1. Mai, besonders in Kombination mit dem „Weißen Sonntag“, entgegen der Meinung der FDP und der Stadtverwaltung einen schützenswerten Charakter genieße.
„Es ist schon bemerkenswert, welch arbeitnehmerfeindliche Stellung die FDP bezieht“, so Andreas Krummen, Stadtverbandsvorsitzender der JU.
Dass die Besonderheit des Maifeiertages „als Tag für die Arbeitnehmer und Gewerkschaften und eben nicht als Tag für Profit gewahrt wird“, freut auch den stellvertretenden Vorsitzenden Tobias Dankert. Es sei auch ein Signal hin zu einer zunehmenden Wahrung des Arbeitnehmerschutzes und der Forderung nach mehr Takt bei der Entscheidung zur Sonntagsöffnung von Geschäften.
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1. Mai: Erste Massendemonstrationen im Jahr 1856
Die Anfänge des 1. Mai als Feiertag gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück: 1886 rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des Achtstundentags zum Generalstreik am 1. Mai auf - in Anlehnung an die Massendemonstration am 1. Mai 1856 in Australien, welche ebenfalls den Achtstundentag forderte. Es kam darauf zu Massenstreiks und Demonstrationen - Dutzende Arbeiter und Polizisten starben.
Auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationalen 1889 wurde zum Gedenken an die Opfer der 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen. Am
1. Mai 1890 wurde zum ersten Mal dieser „Protest- und Gedenktag“ mit Massenstreiks und Demonstrationen in der ganzen Welt begangen.
In Deutschland wurde der 1. Mai 1933 durch die Nationalsozialisten zum gesetzlichen Feiertag. Im Jahr 1934 wurde der
1. Mai durch eine Gesetzesnovelle zum „Nationalen Feiertag“ erklärt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der 1. Mai 1946 durch den Alliierten Kontrollrat bestätigt. Der 1. Mai ist auch in der Bundesrepublik nach den Feiertagsgesetzen der Bundesländer ein gesetzlicher Feiertag. (vb/Wikipedia)