Lingen ist auf dem Weg zur Barrierefreiheit

Lingener Tagespost - Lokales

Viele Maßnahmen wurden bereits umgesetzt – Projekt wird Stadt weiter beschäftigen

Lingen. Ist die Stadt Lingen in Sachen Barrierefreiheit einen Schritt weitergekommen als im Jahr 2011, oder konnte Oberbürgermeister Dieter Krone sein selbst gestecktes Ziel nicht erreichen? Die Antwort vorweg: Ja, es hat sich eine Menge getan, auch wenn man das Thema weiterhin im Auge behalten muss.
Fast ein Jahr ist es nun schon her, dass die LT-Redaktion im Selbsttest mit einem sogenannten „Alterssimulationsanzug“ und in Zusammenarbeit mit der Stadt Lingen, die größte Stadt des Emslandes auf ihre Barrierefreiheit hin überprüft hat. Zur Zielgruppe zählten Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollatoren oder einem Gehstock und auch Passanten mit Kleinkindern, die mit einem Kinderwagen unterwegs waren oder ihren Nachwuchs auf dem Arm hielten.
Bereits zuvor hatte die Hochschule Osnabrück, Standort Lingen, erarbeitet, wie mobilitätseingeschränkte Personen die Innenstadt erleben. Das Ergebnis der 331 geführten Interviews: ein „gutes befriedigend“ (2,88).
Jetzt wollte die LT wissen, was Kommune und Geschäftsleute in den vergangenen elf Monaten unternommen haben, um Menschen mit Behinderungen das Leben in der Stadt leichter zu machen. „Der Rundgang mit mobilitätseingeschränkten Menschen hat viele Schwachstellen offenbart, die teilweise schon behoben werden konnten“, erklärte der Oberbürgermeister in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Weitere Teilnehmer in der Runde waren Kirsten Vogler, Fachbereich Personal, Steuerung und Service, Marc Pavlitzek, Fachdienst Stadtplanung, und Erwin Heinen von Lingen Wirtschaft & Tourismus.
Nach Angaben des Verwaltungschefs wurden Straßenschilder angehoben, der Stillraum im Rathaus schöner gestaltet und einige Behindertenparkplätze verbreitert. Zudem habe die Stadtverwaltung bereits viele Gespräche, unter anderem mit Vertretern der Bahn oder der Verkehrsgemeinschaft Emsland Süd geführt. Vogler: „Danach wurden am Bahnhof zum Beispiel für Sehbehinderte Richtungsweiser in Brailleschrift am Treppengeländer zum Bahnsteig 2 angebracht.“ Zudem seien taktile Beläge (ertastbare Pflasterungen) für Straßenquerungen im Bahnhofsvorplatzbereich eingebaut worden. Dadurch sei es für sehbehinderte und blinde Menschen jetzt möglich, mithilfe eines Blindenstockes zu ertasten, wo der Gehweg endet und die Straße beginnt.
Vor diesem Hintergrund machte Pavlitzek darauf aufmerksam, dass etwa ein Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Rollatoren eine glatte Straßenfläche bevorzugten, während Sehbehinderte und Blinde hingegen taktile Beläge bräuchten, um ihren Weg zu „ertasten“. Pavlitzek: „Das macht unsere Arbeit manchmal schwierig, weil wir natürlich beiden Gruppen gerecht werden wollen.“
Online-Stadtplan
Mit Blick in die Zukunft erklärte Krone, dass im Zuge des Ausbaus der Marienstraße viele weitere Maßnahmen im Sinne einer barrierefreien Innenstadt erfolgen würden. Auch auf der Homepage der Stadt Lingen werde das Thema „Barrierefreiheit“ künftig aufgegriffen. Der OB: „In der kommenden Woche wird ein Online-Stadtplan von Lingen veröffentlicht, in dem sämtliche Behindertenparkplätze und behindertengerechte Toiletten in der Innenstadt verzeichnet sind.“

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Kommentar der LT

Ein langer Weg zur Barrierefreiheit
Die ersten Schritte in Richtung barrierefreie Innenstadt in Lingen sind getan, wobei die Betonung auf „die ersten“ liegt.
Vor rund einem Jahr war durch das umfangreiche Projekt „Barrierefreie Innenstadt“ deutlich geworden, wo die Mängel sind und wie sie behoben werden können. Da erscheint es schon ein wenig befremdlich, dass gerade die Anrampung zum Eingang des Rathauses bis dato noch nicht geglättet wurde, obwohl dieser Weg in die Verwaltung für Rollstuhlfahrer oder für Menschen mit Rollatoren nur rumpelnd bezwungen werden kann.
Auch erste Entwürfe für einen „Stadtplan für mobilitätseingeschränkte Personen“, die noch vor der Sommerpause in 2011 vorgestellt werden sollten, liegen bis dato noch im Dunkeln.
Gut hingegen ist, dass in der nächsten Woche ein Plan für öffentliche Behindertentoiletten und ein Plan mit allen Behindertenparkplätzen ins Netz gestellt werden sollen.
Das Thema Barrierefreiheit kann nicht von heute auf morgen bewältigt werden. Wichtig ist allerdings dabei, dass man es nicht aus den Augen verliert. Nicht nur die Verwaltung, auch die Gewerbetreibenden in der City sind dazu aufgerufen, mitzumachen.