Wie aus Klärschlamm Kohle wird

NOZ/Lingener Tagespost vom 04.08.2012

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Wie aus Klärschlamm Kohle wird
bm Lingen. Was früher Millionen von Jahren, Unmengen an Holz, hoher Temperaturen und starken Drucks (bar) bedurfte, kann heute binnen weniger Stunden im Zeitraffertempo Realität werden: die Entstehung von Kohle. Und zwar nicht aus Holz, sondern aus Klärschlamm der Lingener Kläranlage. Dieses Projekt stellten jetzt unter anderen Klaus Herrmann und Joachim Adams dem niedersächsischen Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Stefan Birkner, in Lingen vor.
Nach Angaben der Experten kann bei Temperaturen zwischen 180 und 350 Grad Celsius und einem Druck von bis zu 65 bar mithilfe eines Reaktors aus Klärschlamm Kohle gepresst werden.
Der Minister zeigte sich von dem patentierten Verfahren sehr begeistert und sicherte weitere Unterstützung zu.

Lokales:

Mit Kohle aus Klärschlamm gegen Klimawandel
Lingener stellen Projekt niedersächsischem Umweltminister vor – Birkner: Einfach und genial

Lingen. Als „einfach und gleichzeitig genial“ wertete jetzt Stefan Birkner (FDP), Niedersachsens Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz, ein noch im Versuchsstadium befindliches Verfahren der Lingener Stadtentwässerung, aus Klärschlamm hochwertige Kohle zu pressen. Federführend dabei sind die Lingener Klaus Herrmann und Joachim Adams.
Empfangen wurde der Gast aus Hannover in der Emsstadt von Ulrich Boss, Geschäftsführer Stadtwerke, Ralf Büring, Erster Stadtrat, Klaus Herrmann und Joachim Adams, PEB GmbH, sowie Laurenz Hüer, Betriebsleiter Stadtentwässerung. Mit Birkner waren auch Dirk Meyer, FDP-Vorstand, sowie Jens Beeck und Godula Süßmann, liberale Ratsfraktion im Rat der Stadt Lingen zur Kläranlage am Langschmidtsweg gekommen, um sich vor Ort selbst ein Bild von diesem Verfahren machen zu können.
Nach der Begrüßung durch Büring und Boss erläuterte Adams in kurzen Sätzen, dass man sich mit dem HTC-Verfahren (Hydrothermale Carbonisierung), also dem Pressen von Kohle aus Klärschlamm, im Herbst mit der Zweiten von insgesamt drei Versuchsreihen beginnen wolle. Weil weltweit einmalig, gäbe es zu dem HTC-Verfahren keine belastbare wissenschaftliche Literatur, sodass man sich in den vergangenen vier Jahren Schritt für Schritt mit Laborversuchen zu einem heute messbaren Ergebnis im Gramm-Bereich angenähert habe.
Klimawandel verzögern
Mit einer „Technikumsanlage“ wolle man ab Herbst den „Kilobereich“ weiter ausloten, um dann in einem Jahr die „Stufe drei“ zu zünden – wenn man genau wisse, ob ein wirtschaftlich tragbares Ergebnis realisierbar sei. „Dazu benötigen wir aber etwa zwei bis drei Millionen Euro“, erklärte der promovierte Experte an die Adresse des Ministers.
Herrmann, habilitierter Biochemiker und über viele Jahrzehnte als Dozent und Forscher in den renommiertesten Universitäten der USA tätig, erläuterte, dass man bei Temperaturen zwischen 180 und 350 Grad Celsius und einem Druck von bis zu 65 bar mithilfe eines Reaktors aus Klärschlamm Kohle pressen könne. Zudem erlaube das HTC-Verfahren, in Klärschlamm gebundenes CO 2 (Treibhausgas Kohlendioxid) langfristig zu speichern oder für eine CO 2 -neutrale Energieerzeugung zu nutzen. Herrmann: „Damit könnte dieses in Lingen entwickelte Verfahren mit dazu beitragen, den Klimawandel zu verlangsamen.“
Mit den Worten: „Ich bin schwer beeindruckt“, kommentierte Birkner das patentierte HTC-Verfahren der Experten und versprach noch vor Ort, diese Versuche unterstützen zu wollen. „Das, was sie hier in Lingen machen, ist schon sehr, sehr innovativ“, betonte der Minister an die Adresse der Stadtentwässerung.